In den vergangenen Jahren sind nach Deutschland mehr männliche Flüchtlinge gekommen als Frauen und Kinder. Oftmals kamen die Männer allein - ohne Familie, ohne Frau, ohne Verwandte.
Das Allein-Sein, die schmerzvollen Gedanken an die Heimat, in der die Verwandten, die Familie, die Frau und die Freunde unter Kriegsbedingungen noch leben, die Sorgen und die Erinnerungen an die schwere Flucht machen den Männern das Leben sehr schwer. Dazu kommt, dass die Flüchtlinge immer wieder warten müssen: warten auf den Antrag, auf den Bescheid usw. Dieses Leben im Wartezustand ermattet die Flüchtlinge innerlich. Nach einiger Zeit fühlen sie sich aussichts- und hilflos.
Trotz der Teilnahme an Sprachkursen und trotz einiger Pflichtaufgaben haben die Flüchtlinge sehr viel Zeit ohne Beschäftigung und ohne Kontakte. Die Langeweile zermürbt die Flüchtlinge, deren Leben in ihrer Heimat gefüllt war mit Berufstätigkeit, mit Familienleben und vielen sozialen Bindungen. Hier bei uns geraten die Männer in eine soziale und emotionale Isolation.
Ihre freie Zeit verbringen die Flüchtlinge größtenteils in ihrem Zimmer, das sie oftmals mit mehreren Männern, die manchmal aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, teilen. Weder für Indi-vidualität noch für Ruhe oder Entspannung finden die Männer in den Zimmern Möglichkeiten.
Darüber hinaus erleben sich Männer, die in ihrer Heimat Verantwortung in Familie und Beruf trugen und die einen sozialen Status erreicht hatten, jetzt fast ständig in einer passiven Rolle; sie sind die Hilfsbedürftigen und Abhängigen, und ihnen gegenüber stehen die aktiven Unterstützenden, die helfen und handeln. Fortwährend spüren die Männer dieses Gefälle. Das kann das Selbstwertgefühl mindern oder sogar kränken.
Die Flüchtlinge registrieren, dass sich bzgl. der Flüchtlinge die gesellschaftliche Stimmung und die politische Tendenz verändern. Sie hören von Brandstiftungen in Flüchtlingsunterkünften. Manche Flüchtlinge werden verbal oder tätlich angegriffen oder erfahren von Gewalttaten gegen Flüchtlinge. Sie bekommen Angst.
Angesichts dieser Situation ist es wichtig und sinnvoll, mit den männlichen Flüchtlingen etwas zu unternehmen, ihnen Ablenkung zu ermöglichen und ihren Alltag zu bereichern.
Jedoch gibt es bisher wenige Angebote für männliche Flüchtlinge. Deshalb startete der Arbeitsbereich Männerpastoral im Erzbistum Köln im Mai 2015 das Pilotprojekt „Aktionen mit männlichen Flüchtlingen“.
Text: Dr. Burkhard R. Knipping