Yurik, Schilo und Kevin spielen gerne zusammen. Am liebsten in der Bauecke. Dass sie alle aus verschiedenen Ländern kommen, spielt dabei keine Rolle. Yurik ist fünf Jahre und kommt aus Armenien. Seit einem Jahr ist er in Deutschland, davor hat er vier Jahre in Belgien gewohnt. „Am Anfang hatte ich ein bisschen Angst, weil ich keinen kannte“, gibt er zu. Jetzt spricht er sehr gut Deutsch und hat neben Schilo und Kevin noch viele weitere Freunde gefunden. Gemeinsam mit seinen 10-jährigen Zwillingsgeschwistern Erik und Erika, den Eltern und Großeltern wohnt er in einer Wohnung direkt über der Kita „Klauser Delle“ in Remscheid. Das besondere an der Kindertagesstätte: Sie ist in ein Übergangswohnheim für Flüchtlinge integriert.
Mutter Susanna* ist froh, jetzt in Deutschland zu sein. „Hier fühlen wir uns wohl. Alle sind so nett zu uns.“ In einem Nebensatz erwähnt sie, dass sie bald ihr viertes Kind erwartet – wenn es nicht wieder Zwillinge werden. In Armenien konnte die Familie aus politischen Gründen nicht mehr leben und musste fliehen. Der Kindergarten im Haus hat die Ankunft in Deutschland erleichtert, da so zumindest die Kinder direkt Anschluss bekommen und integriert sind. Susanna ist ausgebildete Logopädin, muss aber erst richtig Deutsch lernen, bevor sie arbeiten darf. Ihr Mann, gelernter Lkw-Fahrer, wartet auch noch auf die Erlaubnis. „Ich träume davon, selbstständig zu arbeiten und hier bleiben zu dürfen“ sagt sie. Yurik sieht das genauso. „Hier gibt es viel mehr Spielsachen“, schwärmt er. Er ist stolz, dass er ohne ein Buch Deutsch gelernt hat, einfach nur durch Nachsprechen.
„Das ist für die Kinder alles überhaupt kein Problem“, berichtet Simone Mundorf, Leiterin der Kita mit zwei Gruppen und insgesamt 35 Kindern. Viele Flüchtlingsfamilien seien sehr bemüht und wollen sich integrieren. Man merkt schnell, dass die Kita Klauser Delle in Remscheid-Klausen mit dem Thema Flüchtlinge sehr vertraut ist. Mundorf strahlt Ruhe und Gelassenheit aus: „Das ist für uns totaler Alltag.“
8 der 35 Kinder sind mit ihren Familien geflohen, kommen aus Syrien, Armenien, Togo, Ghana, Mazedonien oder Eritrea. Nach den großen Ferien werden es noch mehr. Hier ist man pragmatisch: Anfängliche Sprachschwierigkeiten lösen Simone Mundorf und ihr Team mit Englisch, Italienisch oder einfach einer Übersetzer-App. Probleme mit Traumatisierungen gibt es bislang keine. „Das Thema wird auch in der Gesellschaft so hochgepusht“, findet Mundorf. „Wenn ein Kind traumatisiert ist, dann muss man ohnehin erstmal dieses Problem anpacken.“ Die Kinder selbst sprächen kaum von ihrer Flucht. Vielleicht sind sie dafür aber auch noch zu klein. Vieles läuft hier erstaunlich normal. Wie jedes andere Kind fangen viele Flüchtlingskinder ganz natürlich an zu spielen und finden schnell Freunde. Wenn die Kinder im Kindergarten sind, haben die Eltern Zeit, sich um ihre Situation zu kümmern. In der Nachbarschaft hat sich ein großes Netzwerk gebildet, es hilft bei Behördengängen, freiwillige Helfer sind Ansprechpartner für Sorgen und Probleme. „Vieles regelt sich schon ganz gut“, findet Mundorf. „Die Gesellschaft tut immer so, als sei es ein ganz neues Phänomen. Dabei waren Flüchtlinge immer schon da, vielleicht sind es jetzt mehr. Wir sind damit einfach groß geworden.“
Mundorf und ihr Team haben im Diözesan-Caritasverband eine Schulung zum Umgang mit Flüchtlingen gemacht. Dabei ging es auch um Traumatisierungen aber auch allgemein um die Herausforderungen, die mit Flüchtlingskindern und ihren Familien zu meistern sind. „Ich finde es grundsätzlich wichtig, dass man den Menschen genau zuhört und fragt, was sie brauchen“, sagt Mundorf. Viele Hilfen seien zwar gut gemeint, aber kommen nicht gut an. „Ich muss den Familien nicht zeigen, wo Aldi und Lidl sind. Hier bei uns wollten sie wissen, wo die nächste Kirche ist. Das hat alle überrascht.“
Die Familie von Yurik blickt trotz aller Strapazen positiv in die Zukunft. Wenn die Familie größer wird, fragen sie nach einem zusätzlichen Zimmer im Wohnheim. Wenn alle Arbeit gefunden haben, können sie vielleicht in eine eigene Wohnung ziehen. Dass Deutschland ihre neue Heimat ist und bleibt, ist allen klar. Sicher hat die gute Aufnahme im Kindergarten das Wohlfühlen und Einleben erleichtert.
(*Name von der Redaktion geändert)
Text: Pia Klinkhammer, Pressereferentin im DiCV Köln